Schöne Grüße aus dem Kunsthaus

Die neue KUB-Schau lädt zum sinnlichen, reichhaltigen Erlebnis.
Zerborstene Eisschollen türmen sich auf, kantige Industrial-Musik begleitet durch die unwirtliche eisblaue Landschaft, gelegentlich schneit es. Und doch: In der Mitte dieser frostigen Szenerie lädt ein Sofa zum Verweilen ein – auch wenn das Mobiliar wie auf einem untergehenden Schiff etwas schräg liegt. „Die gescheiterte Hoffnung“ heißt die Installation von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl, die den Besucher im Erdgeschoss des Kunsthauses Bregenz begrüßt. Das queere Duo lässt in ihrer Schau „Seasonal Greetings“ einiges zusammenkommen. Ein Hexenwald, Design-Stücke, riesige Extremitäten, die im Raum schweben: Es ist zweifelsohne ein sinnliches Erlebnis, mit dem die Künstler*innen ihre Grüße ausrichten – dieses hat aber auch spannende Inhalte als Basis.

Das Künstler*innen-Duo, das Österreich bei der Kunst-Biennale 2022 vertreten wird, nutzte mit Schaffensfreude die Gelegenheit das KUB zu bespielen – trotz aller Unwägbarkeiten in der Vorbereitungsphase. Direktor Thomas D. Trummer bedankte sich beim Pressetermin noch einmal beim Publikum, das dem Haus in der schwierigen Zeit „famos die Treue gehalten hat“. Wie begehbare Schaufenster wirken die Stockwerke auf den KUB-Direktor. Putziges und Unverputztes, Heimeliges und Unheimliches gebe es hier zu sehen, meint Trummer, der sich freut, mit dieser Schau wiedereröffnen zu können.

Zwei Geschosse haben die Künstler*innen jeweils im Solo gestaltet, zwei zeigen eine Gemeinschaftsarbeit, wie auch „Die gescheiterte Hoffnung“. Das Werk verweist auf ein berühmtes Gemälde von Caspar David Friedrich, das fälschlicherweise als „Die gescheiterte Hoffnung“ betitelt wurde, wie Scheirl erklärte. Entstanden ist das Bild 1823/24 in der Zeit des Vormärz, im Spannungsfeld zwischen Revolution und Restauration. Friedrich gelang es in seinen Bildern, den sehnsuchtsvollen Schmerz der Einsamkeit und Erlösungshoffnung auszudrücken – Letztere scheiterte jedoch für den Künstler selbst, auch der große Umbruch gelang nicht. Verbunden wird das Vergangene mit dem Jetzt, dem Rückzug des Einzelnen in Zeiten von Corona. Ein bisschen gemütlich und warm wird es dann doch mit den von Design-Expertin Knebl ausgewählten Lustern, wie das 50er-Jahre-Stück von Emil Steiner. Eigentlich einer Pusteblume nachempfunden, erinnere das Stück heute nur noch an das Coronavirus, so Knebl.
Stil-Vielfalt
Nach dem Biedermeierschen Rückzug ins traute Heim geht es in Knebls Installation „Konkret“. Objekte aus unterschiedlichen Stilen kommen hier zusammen. Knebl geht es in diesem „Begehrensraum“ um die Beziehung zwischen Mensch und Objekt. Durch Gegenstände, wie Mode oder Möbel, konstruiert sich der Mensch ein Stück seiner Identität, meint die Künstlerin, die bei Heimo Zobernig und Raf Simons studierte. Die verschiedenen Stile, die hier zusammenkommen, erinnern an alte Zeiten. Rokoko-Möbel konterkarieren Zumthors Betonwände, die alte Strumpfblumen-Kunst lebt auch wieder auf. In einem großen Setzkasten vereint Knebl alte Glas-Lampen, Deko-Nippes und ein Jeanskleid, mit dem sich Knebl als Sarah Kay selbst inszeniert. Ein Porträt als Sarah Kay wird kombiniert mit Bildern von brutalistischen Architekturen, die ihrerseits wiederum auf den Zumthor-Bau Bezug nehmen.
Sündenböcke
Der Besucher gelangt weiter in eine beinahe märchenhafte Welt. Beinahe nur, da Hexen zwar in Kinderbüchern und Märchen Einzug hielten, in Zeiten der Hexenverfolgung aber reale, verfolgte Menschen waren. Viel recherchiert hat das Paar zu dem Thema, Knebl informierte etwa über die von Heinrich Himmler in Auftrag gegebene „Hexenkartothek“. Immer wieder wurden in der Geschichte Sündenböcke auserkoren, die für Katastrophen ihren Kopf hinhalten mussten. Auch heute noch werden Menschen ausgegrenzt und diffamiert, wie das Duo im Gespräch anmerkte. Der zauberhafte Wald mit Klischees wie fliegenden Hexen bietet aber einen sehr spielerischen Zugang.
Beziehungen
Die Transformation von Identität und Körper ist ein wichtiges Thema für Scheirl. Die Künstler*in hat im obersten Geschoss für sich etwas Neues ausprobiert, wie er sagte. Zeichnungen von einzelnen Körperteilen und Organen sind, vergrößert und an Metallrahmen angebracht, im Raum verteilt. Der ganzheitliche ästhetische Körper, der bis heute das Menschenbild in der Kunst prägt, wird so buchstäblich auseinandergenommen. Körper, Körperteil und auch Exkrement: Hier bilden sich neue Beziehungen. Subjektivität und Cyborgs sind dabei Thema. Dass technische Instrumente immer mehr zum Teil unseres Körpers werden, ist ein hochaktueller Aspekt.

Dem Künstler*innen-Duo gelingt es in seiner Arbeit, komplexe Inhalte für alle Menschen sinnlich zugänglich zu machen – für Knebl ist das die „Kraft der Kunst“, sagte sie der NEUE. „Kunst schafft ein Bewusstsein, wie wir mit Menschen umgehen, wie wir die Welt sehen, erfahren, hören“, meint Scheirl. Die Menschen wandeln sich stetig, ist das Paar überzeugt. „Aufgerüttelt durch apokalyptische Visionen muss sich die Gesellschaft neu erfinden“, heißt es denn auch im Begleittext.
Zur Ausstellung
„Seasonal Greetings“. Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl. Erweiterte Eröffnung heute, Freitag, von 15 bis 19 Uhr im Kunsthaus Bregenz. Der Eintritt ist kostenlos. Bis 14. März 2021. Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 19 Uhr.