Kontroversen statt Kaffee und Kuchen

Diskussion um Zukunft rückt wieder in Vordergrund.
In Feldkirch gibt es rund 300 denkmalgeschützte Objekte. Die meisten davon befinden sich in der mittelalterlichen Altstadt, die 1995 unter Ensembleschutz gestellt wurde. Rund um eines dieser Häuser, der alten Handelskammer in der Schlossergasse 1, hat sich vor einem Jahr eine kontroverse Diskussion darüber entsponnen, wie weit der Denkmalschutz in die Gestaltungshoheit der Stadt als Eigentümerin eingreifen darf. Im Zentrum der Debatte, in die sich jetzt auch immer mehr Bürger einschalten, steht das 1949 eröffnete und 2019 geschlossene Café Feurstein.
Wie berichtet, hat das Bundesdenkmalamt (BDA) das Kaffeehaus wegen seiner „geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung“ (noch nicht rechtskräftig) unter Schutz gestellt. Bürgermeister Wolfgang Matt (VP) spricht von einer „kalten Enteignung“, da das Inventar im Gegensatz zum Gebäude nicht der Stadt gehöre. Er will sich für die künftige Nutzung des Gebäudes alle Möglichkeiten offenhalten.
Die Möbel befinden sich im Nachlass von Klaus Feurstein, der das Kaffeehaus Mitte der 1970er-Jahre von seiner Mutter übernahm und bis zuletzt geführt hat. Feurstein ist Anfang Dezember im Alter von 68 Jahren gestorben. Ehemalige Gäste sowie Freunde deponierten vor dem Café an die 100 Grabkerzen, die noch heute an die beliebte Gastro-Legende erinnern. Nach dem Tod Feursteins rückte auch die Debatte um die Zukunft des Kaffeehauses wieder in den Vordergrund. Dabei kamen – wohl auch aufgrund der als intransparent empfundenen Vorgehensweise der Stadt – allerlei falsche Gerüchte auf, sogar von einem Abriss des Gebäudes war die Rede. Wie geht es nun tatsächlich weiter? Wo steht das Unterschutzstellungsverfahren? Zeichnet sich vielleicht eine Lösung ab? Was sagen die handelnden Personen, und welche Befürchtungen haben jene, die sich für den Erhalt des Cafés einsetzen (siehe auch Interviews rechts und links). Die NEUE am Sonntag hat sich umgehört.
„Wäre in vielerlei Hinsicht ein Verlust“
Der renommierte Architekt Erich Steinmayr spricht sich für den Erhalt des Café Feurstein aus.
Warum ist das Café Feurstein für Feldkirch wichtig?
Steinmayr: Ich kenne das Café seit meiner Kindergartenzeit. Unterschiedlichste Gruppen der Bevölkerung haben sich dort zu unterschiedlichen Zeiten getroffen. Das Café ist seit damals ein Ort der Begegnung, des Gesprächs sowie der Kontemplation und damit für den unmittelbaren Stadtraum milieubestimmend. Der Verlust an Kommunikationskultur ist dort bereits jetzt deutlich wahrnehmbar.
Es ist herauszuhören, dass Sie die Unterschutzstellung befürworten.
Steinmayr: Selbstverständlich. Ich verstehe die Bemühungen des Bundesdenkmalamts völlig, das ist seine Aufgabe. Das Café Feurstein ist eines der wesentlichen Relikte der 1950er-Jahre.
Es steht im Raum, dass das Mobiliar, welches nun dauerhaft unter Denkmalschutz gestellt werden soll, an einem anderen Ort aufgestellt werden könnte. Was halten Sie davon?
Steinmayr: Das macht überhaupt keinen Sinn. Das sind Möbel, die speziell für die Räumlichkeiten und deren Geometrie geschaffen wurden. Das Interieur greift teilweise auch in die Architektursubstanz ein, etwa die Holzverkleidung in den Durchgängen, die Innentüren, Fenster etc.. Der Zusammenhang von Stadtraum, Laube und Interieur macht daraus den „genius loci“, den Geist des Ortes. Aus diesem genommen, verliert das reine Mobiliar die semiotischen Botschaften, die das Ganze schutzwürdig werden lässt.
Hemmt der Erhalt von baukulturellen Werten eine moderne Stadtentwicklung?
Steinmayr: Nein. Mit dem Denkmalschutz ist sehr vieles möglich. Ich muss aber sagen, dass ich als praktizierender freischaffender Architekt auch nicht immer einer Meinung mit den Entscheidungen des BDA bin.
Nennen Sie bitte ein Projekt, das Sie aufgrund des Denkmalschutzes nicht weiterverfolgen konnten.
Steinmayr: Zum Beispiel die Entwurfsstudie für eine räumliche Erweiterung des Feldkircher Rathauses in den angrenzenden Baubestand der Schmiedgasse. Dazu hätte das unwesentliche erste Haus durch einen Neubau in der Baulücke ersetzt werden müssen. Da war das BDA grundsätzlich dagegen.
Können Sie ein Beispiel nennen, wo sich eine Stadt zunächst gegen den Denkmalschutz gewehrt und am Ende doch davon profitiert hat?
Steinmayr: Da fällt mir eine Anfrage der Stadt Hohenems zu einem Gutachten ein. Damals ging es um die Unterschutzstellung des Zentrumsviertels. Ich konnte die Meinung unterstützen, dass es sich bei dem Stadtteil um ein einzigartiges kulturelles Gut handelt; um eine Erfolgsgeschichte, die man lesbar halten und schützen muss, und die trotz mancher Beschränkung durch das BDA ausreichend Freiraum zur Bebauung zulässt. Das hat sich als richtig herausgestellt, wie die Realisierung zeigt.Jörg Stadler
Nachgeschärft
Zunächst zum Verfahren: Da die Stadt gegen den Bescheid des BDA Rechtsmittel eingelegt hat, ist nun wieder die Bundesbehörde am Zug. Wie Barbara Keiler, Leiterin der BDA-Abteilung für Vorarlberg, auf Anfrage erklärt, wird die Stadt in Bälde ein „in gewissen Bereichen nachgeschärftes“ Gutachten erhalten. „Wir bleiben natürlich bei unserer Linie, das Café muss für die nachkommenden Generationen erhalten bleiben“, sagt die oberste Denkmalschützerin im Land. Das Feurstein sei ein Fall, den sie aufgrund seiner Tragweite kurzfristig eingeschoben habe. „Grundsätzlich gibt es ein jährliches Unterschutzstellungsprogramm, das wir abarbeiten.“
Dass dieser Fall einmal derartig schwierig werden würde, hätte sie sich am Anfang nicht gedacht, erzählt Keiler und betont, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt normalerweise sehr konstruktiv sei. Bei einer Begehung des Objekts im Oktober 2020 drohte die Angelegenheit regelrecht zu eskalieren. So meinte der kurz zuvor in einer Stichwahl gewählte Bürgermeister, dass er „die Schaufenster und Türen verbarrikadieren werde, falls das BDA vor Gericht gewinnen werde“.
Die protokollierte Aussage des Stadtchefs lässt unschwer erkennen, dass die Stadt die Sache wohl bis zur letzten Instanz durchfechten wird. Das bestätigt auf Anfrage auch der ressortzuständige Stadtrat Benedikt König (VP). Auch wenn er als „historisch und kulturell interessierter Mensch selbstverständlich akzeptiert, dass das BDA seiner Aufgabe nachkommt“, sieht er die Stadt praktisch dazu gezwungen, „sich mit allen ihr zukommenden Mitteln“ dagegen zu wehren. „Warum soll der Eigentümer dazu gezwungen werden, fremdes Mobiliar in seinen Räumen auf ewige Zeiten aufzustellen und dafür zu haften?“, fragt sich König.

Chancen
Was den Ausgang des Verfahrens betrifft, so rechnet sich zumindest das BDA „sehr gute Chancen“ aus. „Wir hatten schon wackligere Fälle“, meint Keiler. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung können allerdings noch viele Monate, wenn nicht Jahre ins Land ziehen. Eine zwischenzeitliche Sanierung sowie eine Ausschreibung für eine etwaige Weiternutzung als Kaffeehaus kommt für die Stadt jedoch nicht infrage. „Da sind derzeit einfach zu viele Unsicherheiten im Spiel. Die Stadt ist weder berechtigt, das Inventar zu entfernen, noch kann sie das Inventar mitvermieten. Wir können gegenüber einem Interessenten weder sagen, was er im Inneren verändern darf, noch wie er mit dem Inventar umgehen muss“, erklärt König. Auch eine Grobkostenplanung für eine Sanierung (Küche, Sanitäranlagen etc.) hält König auf Nachfrage für unmöglich.
„Das sind Scheinargumente“, sagt Anwalt Ekkehard Bechtold, der Klaus Feurstein in Rechtssachen beriet. Seiner Meinung nach könne sehr wohl ausgeschrieben werden, zumal Feursteins Lebensgefährtin als künftige Rechtsnachfolgerin sicher bereit sei, einem geeigneten Cafébetreiber das Mobiliar zu überlassen.
Interessierte Mieter gibt es mehrere. Zwei davon bestätigen auf Anfrage, dass sie mit den vorhandenen Möbeln weitermachen würden: Ulrich Berthold, Weinhändler und Area-Manager von Illy Caffé, hatte sein Konzept bereits vor der Schließung des Kaffeehauses vorgelegt. Die Stadt offerierte ihm damals allerdings lediglich einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag, zudem hätte er die Sanierungskosten zu tragen gehabt. Auch Waltraud Waldner, derzeit noch Pächterin des Café Hecht in der Feldkircher Neustadt, soll an der Weiterführung des Café Feurstein interessiert sein. Dem Vernehmen nach wird Waldner das Hecht nur noch bis Herbst führen. Die Gastronomin wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben.
Drei Fragen an
… Benedikt König, ressortzuständiger Stadtrat.
1 Was spricht eigentlich gegen den Erhalt des Cafés?
König: Grundsätzlich gar nichts, aber es bedarf zunächst der grundlegenden juristischen Klärung. Es geht nicht darum, ob das Café denkmalgeschützt ist. Das Gebäude in der Schlossergasse ist bereits seit Jahren unter Denkmalschutz, was von der Stadt auch nie bekämpft wurde. Das bedeutet, rein wirtschaftlich gesehen, bekanntermaßen bereits eine Wertminderung. Worum es hier geht, ist, dass die Stadt durch den erweiterten Denkmalschutz mit fremdem Eigentum zusätzlich belastet wird und so der Immobilienwert des Gebäudes noch weiter gesenkt wird. Die Stadt braucht Rechtssicherheit, was in Zukunft im Gebäude überhaupt noch umgesetzt werden kann und darf.
2 Hat die Stadt dem Denkmalamt angeboten, das Inventar woanders aufzustellen. Was erwarten Se sich davon?
König: Das Angebot einer Dislozierung hat vor allem damit zu tun, dass es für die Stadt schwer vorstellbar ist, für alle Zukunft fremdes Inventar in den eigenen Räumen aufstellen zu müssen. Es dürfte aber auch im Interesse des Eigentümers sein, wenn er die Einrichtung auch woanders aufstellen dürfte, wo sie präsentiert und sinnvoll genutzt werden kann
3 Was kostet der Leerstand bisher? Wie lange ist ein solcher noch zumutbar?
König: Aufgrund der Unklarheit, wie ein zukünftiger Mieter die Räume verwenden darf, kann derzeit nicht seriös angegeben werden, in welcher Höhe sich der angenommene Mietentgang bewegt. Zumutbar ist die Situation schon lange nicht mehr, weil auch der Stadt ein vermietetes Lokal lieber ist als ein Leerstand.
Feurstein im Palais?
Nicht ganz ausgeschlossen ist allerdings, dass das Feurstein-Mobiliar künftig in ganz anderen Räumlichkeiten zugänglich gemacht werden könnte. Zumindest laufen seitens der Stadt Überlegungen, das Inventar ins Palais Liechtenstein zu verpflanzen. „Wenn es der große Wurf ist“, wäre BDA-Leiterin Keiler hier unter Umständen kompromissbereit. Ehemalige Stammgäste und Kenner der Materie halten die Idee jedoch für absurd.