Statikfehler: Verfahren weiter in Warteschleife

Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen. Verhandlung im Frühjahr geplant.
Mehr als ein Jahr ist es her, als die NEUE erstmals über die mutmaßlich massiven Berechnungsfehler eines Vorarlberger Statikers berichtete. Branchenkollegen des Ziviltechnikers sprachen damals von einer „Katastrophe“ und fragten sich, wie es dazu kommen konnte, dass gleich drei Rohbauten mitsamt Tiefgaragen wieder abgerissen werden müssen. Mittlerweile wurden die betreffenden Projekte neu errichtet. Der Hotelzubau in Faschina ist fertiggestellt, die Wohnanlagen in Dornbirn kurz vor Übergabe und Bezug.
Mögliche Folgen
Deutlich länger als der Wiederaufbau der missglückten Rohbauten dauert die disziplinarrechtliche Aufarbeitung des Falles. Im Juni hieß es aus der Ziviltechniker-Kammer für Tirol und Vorarlberg, dass die Disziplinarverhandlung auf Herbst verschoben wird. Der Statiker könne nicht anreisen, da dieser zum covid-19-gefährdeten Personenkreis zähle, begründete Kammerdirektorin Dagmar Birnleitner damals die Verzögerung. Auf eine aktuelle Anfrage zum Stand des Verfahrens erklärt sie: „Die Disziplinarverhandlung hat leider noch nicht stattgefunden. Herr (…) hat schriftlich Einwände vorgebracht, die vom Untersuchungskommissär geprüft wurden, und nun liegt der Akt wieder beim Disziplinaranwalt. Voraussichtlich wird die Verhandlung aber im Frühjahr (sobald als möglich) anberaumt werden.“
„Der Beschuldigte hat schriftlich Einwände vorgebracht, die vom Untersuchungskommissär geprüft wurden.“
Dagmar Birnleitner, Kammer für Ziviltechniker
Die Konsequenzen für den Baufachmann könnten weitreichend sein. Das Ziviltechnikergesetz sieht unter anderem einen Verweis, die Untersagung der Befugnisausübung bis zur Dauer von drei Jahren oder den Verlust der Befugnis vor. Informierte Kreise aus der Branche gehen davon aus, dass der staatlich befugte und beeidete Ziviltechniker für Bauwesen seine Befugnis verlieren wird beziehungsweise seinen Beruf einige Zeit nicht mehr ausüben wird dürfen. Der Fachstatiker soll bereits im Pensionsalter sein. Geplant wurden die beiden Projekte übrigens von ein und demselben Architekturbüro. Wie berichtet handelt es sich um einen größeren Hotelzubau sowie zwei – durch eine Tiefgarage verbundene – Wohnanlagen. Wie NEUE-Recherchen ergeben haben, soll es bei beiden Projekten zu massiven Berechnungsfehlern durch den verantwortlichen Statiker gekommen sein. Weder die Tragfähigkeit noch die Gebrauchstauglichkeit sei gegeben gewesen, hieß es. Die schwerwiegenden Folgen, etwa durchhängende Betondecken, waren teilweise mit freiem Auge sichtbar.

Die Verhandlung findet in der Kammerdirektion in Innsbruck statt. Das Disziplinarverfahren ist einem Prozess vor einem ordentlichen Gericht nachgebildet. Der Senat besteht aus einem Vorsitzenden, der Jurist sein muss, und zwei Beisitzern aus der Kammer. In diesem Fall ist der Vorsitzende ein Richter des Landesgerichts Innsbruck und der Disziplinaranwalt bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck tätig. Der Beschuldigte kann einen Verteidiger beiziehen, Anwaltspflicht besteht keine. Die Verhandlung ist nicht öffentlich, der Beschuldigte kann jedoch im Beisein von drei Kammermitgliedern seines Vertrauens vor Gericht erscheinen.