Kritik an der Wirtschaftskammer

Textilunternehmer kritisiert Abnicken von Regierungsentscheidungen.
Die in den vergangenen Monaten meist hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik von Unternehmern an der Wirtschaftskammer Österreich und ihrem Pendant in Vorarlberg angesichts des Verhaltens in Corona-Zeiten bricht jetzt immer häufiger öffentlich hervor. Aktuelles Beispiel dafür ist der Textilunternehmer Andreas Geiger, geschäftsführender Gesellschafter des Mittelstandsbetriebes Bandex Textil & Handels-GmbH in Koblach.
„Eine Interessenvertretung hat nur unsere Interessen zu vertreten“
Geiger, der keine politischen Funktionen innehat und keiner Partei angehört, erwartet sich eine klare Positionierung der Wirtschaftskammer auf der Seite der Unternehmen: „Die Wirtschaftskammer muss aufhören, auf Bundes- wie Landesebene wie ein Sprachrohr der Regierung zu agieren und alle politischen Vorgaben einfach nur abzunicken. Sie wird nicht vom Steuerzahler und nicht von der Regierung bezahlt, sondern von uns Unternehmern. Deshalb erwarte ich mir, dass sie sich klar auf unsere Seite stellt und nur unsere Interessen vertritt“, so Geiger. Diese Interessenvertretung habe unabhängig von Parteiinteressen zu erfolgen. „Denn die Kammer wird von allen Mitgliedsunternehmen finanziert und nicht nur von jenen, deren Inhaber oder Manager einer parteinahen Vorfeldorganisation angehören.“
Aufstand der Kammern
Wie berichtet hat sich die Wirtschaftskammer Vorarlberg am Mittwoch gemeinsam mit den Kammern Tirol, Salzburg und Südtirol für ein sofortiges Ende aller Reisebeschränkungen und Reisewarnungen in Europa ausgesprochen, da ganze Branchen in ihrer Existenz gefährdet seien. „Das ist ein starkes Zeichen der Hoffnung dafür, dass auch in den Wirtschaftskammern die Erkenntnis die Oberhand gewonnen hat, dass die Kollateralschäden der Maßnahmen deutlich schlimmer ausfallen werden als die gesundheitlichen Folgen der Pandemie selbst“, so Geiger. Aus Gesprächen mit Unternehmern wisse er, dass viele Wirtschaftsvertreter von der Politik mehr Verhältnismäßigkeit einfordern würden. „Die Wirtschaftskammer hat eine gesellschafts- und sozialpolitische Mitverantwortung.“
Nachhaltige Erleichterungen im Betriebsleben durchsetzen
Im Rahmen der Interessenvertretung wünscht er sich allem voran, dass eine Vereinfachung der Personalverrechnung und der Gewerbeordnung auf die primären Verhandlungsagenda gebracht werden. „Förderungen und Unterstützungen sind gut, aber wir alle brauchen vor allem nachhaltige Erleichterungen im alltäglichen Betriebsleben.“
Außerdem teilt Geiger die Ansicht von manch anderen Unternehmern, dass die Wirtschaftskammer respektive die einzelnen Sparten ihren finanziellen Beitrag in der Krise leisten sollen. „Die Firmen gehen in Zeiten wie diesen ja auch an ihre Liquiditätsreserven. Deshalb darf man das eigentlich auch von der Wirtschaftskammer erwarten, die über ausreichend Rücklagen verfügt.“
Die Bandex Textil & Handels-GmbH ist eine Schmalbandweberei mit rund 40 Mitarbeitern. Der Mittelstandsbetrieb kommt auf einen Exportanteil von rund 80 Prozent und liefert in 55 Länder weltweit. Bandex hat als Konsortiumsmitglied auch Bestandteile für die Ländle-Schutzmaske der Firmengruppe Grabher geliefert.
Günther Bitschnau