Die Opulenz längst vergangener Tage

Eine gemeimnisvolle Villa steht in der Radetskystraße in Hohenems.
GeGanze 15.000 Quadratmeter kann die Villa Franziska und Iwan Rosenthal vorweisen. Ihr Ursprung geht jedoch auf eine kleine Poststation zurück. 1807 kaufte Josef Rosenthal die Alte Post am Beginn der Radetzkystraße in Hohenems. Sein Sohn August Rosenthal erbaute 1823 daneben ein stattliches Bürgerhaus. Zusammengeführt, aus- und umgebaut wurden diese bestehenden Gebäude schlussendlich 1889 von Franziska und Iwan Rosenthal. Das jüdische Fabrikantenehepaar engagierte dafür das damals bekannte Schweizer Architektenduo Alfred Chiodera und Theophil Tschudy.
Bombastische 15.000 Quadratmeter kann die Villa Franziska und Iwan Rosenthal vorweisen. Ihr Ursprung ging jedoch auf eine kleine Poststation zurück. 1807 kaufte Josef Rosenthal die Alte Post am Beginn der Radetzkystraße in Hohenems. Sein Sohn August Rosenthal erbaute 1823 daneben ein stattliches Bürgerhaus. Zusammengeführt, aus- und umgebaut wurden diese bestehenden Gebäude schlussendlich 1889 von Franziska und Iwan Rosenthal. Das jüdische Fabrikantenehepaar engagierte dafür das damals bekannte Schweizer Architektenduo Alfred Chiodera und Theophil Tschudy, kurz Chiodera & Tschudy.

Ein Zeichen für Ansehen und Reichtum
Errichtet wurde die Villa im neoklassizistischen/barocken Stil und hatte die Aufgabe, das Ansehen, den Reichtum und die Macht der Fabrikantenfamilie sichtbar zu machen. Wenn man heute die Villa Rosenthal betritt, hat man ein wenig das Gefühl, am Drehort von Robert Altmans „Gosford Park“ zu verweilen.

Dunkle Dienstbotentreppen führen in die Herrschaftszimmer, welche Zimmermädchen und Hausdiener unauffällig durch „unsichtbare“ sogenannte Tapetentüren betraten, um dann ebenso ungesehen wieder zu verschwinden. Lautes, kontaktfreudiges Personal war nicht erwünscht. Die Herrschaften selbst ließen sich von ihren Ausflügen direkt in den überdachten Fuhrwerkerzugang kutschieren. Von diesem konnten sie, unbehelligt von Wind und Wetter, direkt in das Hauptgebäude eintreten, während der Stalljunge die Pferde hinaus in die angrenzenden Stallungen führte.

Franziska und Iwan Rosenthal betraten ihre Gemächer über eine opulente Treppe mit gedrechselten Handläufen, um in das Obergeschoss zu gelangen. In dieser Stiegenhalle befindet sich ein Glasgemälde einer weiblichen Gestalt mit einer Spindel in der Hand und einem Bienenkorb zu Füßen – Symbole für Weberhandwerk und Fleiß. Ein Salon, ein Tabakzimmer, Schlafgemächer, Gästezimmer, üppige Wand- und Deckenmalereien, kunstvolle Tapeten, die Rosenthals statteten ihre Villa nach den für damals modernsten Maßstäben aus.
Untypisch für eine Villa dieser Art ist aber der rückwärtig angelegte Garten. Dadurch, dass die ursprünglichen Bestandsgebäude nahe an der Straße gelegen waren, musste man sich so aushelfen. Es gelang.

Kegeln unter japanischem Himmel
Das Herrschaftshaus wurde, mit der Kutschergarage und den Ökonomiegebäuden, durch eine Kegelbahn verbunden. Hier traf man sich im japanischen Flair, plauderte wohl über Geschäfte, Politik und wahrscheinlich auch über Klatsch und Tratsch, während man versuchte, alle Neune zu Fall zu bringen. In einem dunklen Winkel neben den Kegeln steht ein kleiner Podest, umrandet von einem Gitter. Hier wartete an den Kegelabenden meist ein kleiner Junge, und jedes Mal, wen die Kegel fielen, trat er herunter und stellte sie schnell wieder auf. Ein Job, um sich ein paar Kronen und etwas Süßes zu verdienen.

Jüdisches Museum Hohenems
Einzug einer Wissbegierigen
1899 zog Franziskas Schwester Regina mit ihrer damals 16-jährigen Tochter Amalie in das Haus der Rosenthals ein. Amalie zeigte sich aber nicht glücklich mit den damals von jungen Frauen erwarteten Tätigkeiten. So war sie dann 1909 die einzige Frau, die im Bezirk Hohenems dem Alpenverein beitrat und sich bis 1914 regelmäßig in die Tourenberichte einschrieb. Hohenems blieb für sie aber nicht der Ort, an dem sie ihr Leben verbringen wollte. Ihr Weg führte sie nach München. Dort arbeitete sie während des Ersten Weltkrieges als Sekretärin des Chirurgen Kraeke. Iwan und Franziska Rosenthal übersiedelten im Jahr 1914 nach Wien und nutzten das Haus nur noch zeitweise.
1931 wurde Amalie Hess schließlich von ihrer kinderlos gebliebenen Tante Franziska als Erbin der Villa „Franziska und Iwan Rosenthal“ eingesetzt. Sieben Jahre später verkaufte sie an den Zahntechniker Johann Schebesta.
In den 1930er-Jahren floh Amalie Hess vor den Nationalsozialisten nach Zürich. Dort lebte sie mit ihrer betagten Mutter starb 1966 in Küsnacht am Zürichsee.

Genug gerastet
Im Juli 1988 wurde die Villa unter Denkmalschutz gestellt und es passierte lange nichts. Jetzt wird es aber wieder lebendig. Sie soll zu einem Literaturhaus werden. Für Stadtentwickler Markus Schadenbauer ist das ein wesentlicher Baustein in der Belebung des gesamten Areals. „Wenn es nach uns geht, dann würden wir die nächsten drei Monate wirklich einen konkreten Planungsauftrag an die Architekten geben.“
Die Villa selbst wird das Architekturbüro Nägele-Waibel übernehmen.“ Und auch, was die weiteren Schritte betrifft, zeigt sich Schadenbauer zuversichtlich: „Wenn alles gut geht, könnte es im Laufe des nächsten Jahres zu Baumaßnahmen kommen. Die genaue Bauzeit ist schwer abzuschätzen, da einige Restaurationsarbeiten zu machen sind. Es muss zum Beispiel Wandmalerei erneuert werden, das kann mehre Wochen oder Monate dauern.“

Vom Wohlstandszeugnis zum Haus der Literatur
Auch Frauke Kühn vom „literatur:vorarlberg netzwerk“ haucht dem alten Haus Leben ein, nicht mit neuem Verputz oder frischer Wandmalerei, sondern mit Literatur. „Wir haben schon jetzt (vor Corona, Anm.) das Haus punktuell bespielt, immer mit passenden Veranstaltungen, die nicht das fertige Buch in den Mittelpunkt stellen, sondern den Prozess des Schreibens, des Lesens, des Lektorierens“, erklärt Kühn und fügt hinzu: „Es ist ein unglaubliches Privileg, aber auch eine Verantwortung, mit diesem Haus denken zu dürfen.“

Besonders die Geschichte rund um die Frauenfiguren der Villa Franziska und Iwan Rosenthal findet sie aufregend. „Es sind hier sehr starke Frauenfiguren mit involviert. Franziska Rosenthal und ihre Nichte Amalie Hess sind für ihre Zeit unglaublich moderne Frauen gewesen. Wir möchten uns mit dieser Geschichte des Hauses auseinandersetzten, ohne dabei museal zu werden, sondern literarisch. Also lebendig literarisch zu bleiben, das finde ich reizvoll.“

Wer also glaubt, die alte Villa Rosenthal ist ein verstaubtes Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit, der irrt. Sie ist weiterhin Spielboden und Nährstoff für neue Ideen und lebendiges Denken.
Von Heidi Salmhofer